- Physiknobelpreis 1963: Maria Goeppert-Mayer — Johannes Hans Daniel Jensen — Eugene Paul Wigner
- Physiknobelpreis 1963: Maria Goeppert-Mayer — Johannes Hans Daniel Jensen — Eugene Paul WignerEin Teil des Preises ging an den Amerikaner Wigner für seine Beiträge zur Kern- und Elementarteilchenphysik sowie für seine Arbeiten zu Symmetrieprinzipien in der Quantentheorie. Der zweite ging an die US-Amerikanerin Goeppert-Mayer und den Deutschen Jensen für die Entwicklung des Schalenmodells der Atomkerne.BiografienMaria Goeppert-Mayer, * Kattowitz (Oberschlesien; heute Katowice, Polen) 28. 6. 1906, ✝ San Diego (Kalifornien) 20. 2. 1972; 1939-40 Dozentin am Sarah Lawrence College in Columbia; seit 1946 am Enrico Fermi Institute for Nuclear Studies an der University of Chicago, seit 1959 dort Professorin für Physik, seit 1960 Professorin für Physik an der University of California in La Jolla, San Diego.Johannes Hans Daniel Jensen, * Hamburg 25. 6. 1907, ✝ Heidelberg 11. 2.1973; 1941-69 Professor für theoretische Physik an der Technischen Hochschule in Hannover, 1949-69 Professor für theoretische Physik an der Universität Heidelberg.Eugene Paul Wigner, * Budapest 17. 11.1902, ✝ Princeton (New jersey) 1. 1. 1995; 1930-36 Professor für mathematische Physik an der Princeton University, 1938-71 dort Inhaber des Thomas D. Jones-Lehrstuhls für mathematische Physik, 1942-45 an der Entwicklung der Atombombe beteiligt; 1946-47 Direktor der Clinton Laboratories in Oak Ridge.Würdigung der preisgekrönten LeistungEugene Wigner erkannte als erster die grundlegende Bedeutung der Symmetrie für die Quantenphysik. Ihm gebührt das große Verdienst erkannt zu haben, dass die Symmetrie in der Quantentheorie eine viel einschlägigere Rolle spielt als in der klassischen Physik, wo die Bedeutung der Symmetrie bei der Entdeckung der Invarianzen bereits bekannt war.Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte die Wissenschaft über große Kenntnisse über den Atomkern. Dessen Aufbau war jedoch noch unbekannt. Die Aufstellung eines Kernmodells war eine wichtige Aufgabe, die den Physikern bevorstand. Sie wurde unabhängig voneinander durch Maria Goeppert-Mayer und Hans Jensen 1949 gelöst.1918 hatte die deutsch-jüdische Mathematikerin Emmy Noether gezeigt, dass jeder kontinuierlichen Symmetrie ein Erhaltungssatz entspricht. Eugene Wigner befasste sich 1927 in Göttingen mit der Anwendung der Gruppentheorie — der mathematischen Theorie, die die Symmetrien untersucht — in der Quantenphysik. Während in der klassischen Physik die Addition zweier verschiedener Bahnen keinen Sinn ergibt, erlaubt die Quantenmechanik dank der linearen Natur der Zustandsvektoren die Addition von Quantenzuständen. Dadurch ergeben sich Schlussfolgerungen nicht nur für die Symmetrieeigenschaften der grundlegenden Gesetze, sondern auch der quantenmechanischen Zustände.1927 analysierte Wigner die Rechts-Links-Symmetrie und entdeckte das Gesetz der Paritätserhaltung. Das war die Grundlage für die Entdeckung von Tsung Dao Lee und Chen Ning Yang (Nobelpreis 1957), dass die schwache Wechselwirkung die Paritätserhaltung verletzt.Weiter wandte Wigner die Symmetrieprinzipien in der Kernphysik an und erzielte damit große Erfolge. Er zeigte, dass die meisten Eigenschaften der Kerne aus der Symmetrie der Bewegungsgesetze folgen. 1933, ein Jahr nachdem James Chadwick (Nobelpreis 1935) das Neutron nachgewiesen hatte, gelangen Wigner Entdeckungen über die Natur der Kernkräfte. Er stellte fest, dass die Kraft, die Nucleonen bindet, eine kurze Reichweite hat und eine Million mal stärker als die elektromagnetische Kraft ist.Ende der 1930er-Jahre entdeckte er, dass die Kernkraft unabhängig von der Natur der Nucleonen ist. 1936 untersuchte er zusammen mit Gregory Breit die Neutronenabsorption und entwickelte die Breit-Wigner-Formel. Wigner verdankt man auch eine allgemeine Theorie der Kernreaktionen. 1939 untersuchte er die Kernspaltung und schuf die Grundlage für die Entwicklung der kontrollierten Kettenreaktionen durch Enrico Fermi. Wigner leistete wichtige Beiträge zu den technischen Details der Kernreaktoren und zur Gewinnung der Kernenergie.Das Schalenmodell für den Atomkern1913 hatte Niels Bohr (Nobelpreis 1922) sein Atommodell aufgestellt, das zum Schalenmodell weiterentwickelt wurde. Danach besteht das Atom aus einem Kern, der von Elektronen umgeben ist. Deren Bewegung beruht auf den Gesetzen der Quantenmechanik. Die Elektronen besetzen Schalen mit festem Energieinhalt. Manche Atome weisen stabile energetische Zustände auf: Sie bestehen aus Elektronenschalen, die vollständig besetzt sind. Diese Atome — unter anderem Helium und Neon — sind chemisch sehr stabil, das heißt reaktionsträge.Die Physiker Goeppert-Mayer und Jensen beschäftigten sich mit dem Rätsel der magischen Zahlen: Kerne, die 2, 8, 20, 28, 50, 82 oder 126 Neutronen oder Protonen besitzen, sind sehr stabil, ihre Nucleonen sehr stark gebunden.Das Schalenmodell beruht auf der Vorstellung, dass ein Kern näherungsweise als System voneinander unabhängiger, nicht direkt miteinander wechselwirkender Nucleonen im mittleren Potenzial betrachtet werden kann. Die Nucleonen füllen nach dem Pauliprinzip Energieschalen aus: Jeder durch Quantenzahlen charakterisierte Zustand kann nur durch jeweils ein Teilchen besetzt werden. Die Stabilität der Kerne lässt sich durch abgeschlossene Schalen erklären.Im Unterschied zur Elektronenhülle sind die im Kern wirkenden Kräfte der starken Wechselwirkung nicht genau bekannt, daher wird ein empirisches mittleres Potenzial eingesetzt, das radialsymmetrisch ist und konstant im Kern wirkt, am Rand des Kerns jedoch stark abfälltDie Pionierarbeiten von Eugene Wigner in den 1930er-Jahren konnten die ersten magischen Zahlen (2, 8 und 20) und die Eigenschaften der leichten Kerne sehr gut erklären: den inneren Freiheitsgrad eines Elementarteilchens oder Atomkerns, der als Drehimpuls einer inneren Drehbewegung des Teilchens angesehen werden kann (Spin), magnetische Momente und Übergangswahrscheinlichkeiten. Für die magische Zahl 28 versagte jedoch das Modell. Zusätzliche Annahmen waren erforderlich. Das besondere Verdienst von Goeppert-Mayer und Jensen ist, dass sie im Schalenmodell die Spin-Bahn-Kopplung berücksichtigten — die Kopplung zwischen dem Bahndrehimpuls und dem Spin jedes einzelnen Nucleons zu dessen Gesamtdrehimpuls. Aus der Spin-Bahn-Kopplung der einzelnen Nucleonen ergeben sich zusätzliche Energieniveaus, die auch die höheren magischen Zahlen erklären.Das Schalenmodell stellt nur eine Annährung dar, da die Wechselwirkungen zwischen den Nucleonen vernachlässigt werden. Es kann daher nur manche Eigenschaften der Kerne erklären wie ihr magnetisches Moment im Grundzustand. Für die angeregten Kernzustände muss jedoch die Kopplung mehrerer Nucleonen berücksichtigt werden. So wurden auch andere Kernmodelle entwickelt, wie das Tröpfchenmodell, das Kollektivmodell, das Compoundkern-Modell und das optische Modell. Jedes Modell beschreibt unterschiedliche Kerneigenschaften. Es existiert bis heute jedoch kein Kernmodell, das alle Eigenschaften des Kerns konsistent beschreiben kann.D. Wünsch
Universal-Lexikon. 2012.